Porzer Handwerksmeister

Verein Selbständiger Handwerksmeister Porz e.V. 1907



Neujahrsansprache 2010

17.01.2010

Guten Morgen, meine sehr geehrten Damen und Herren,

ich begrüße Sie sehr herzlich zu unserem diesjährigen Neujahrsempfang 2010, hier im Dechant-Scheben-Haus in Köln-Porz, im Zentrum der deutschen Wirtschaft.

Es freut mich sehr, dass Sie so zahlreich unserer Einladung gefolgt sind und den heutigen Mittag mit uns verbringen möchten.

Wie Sie sehen, steht heute morgen ein Anderer an dieser Stelle als die Jahre zuvor. Herr Peter Schumacher, unser langjähriger 1. Vorsitzender hat nach 14 Jahren den Vorsitz abgegeben. Er meinte, dass diese Zeit lang genug war und nun eben ein Neuer dieses Amt ausfüllen sollte. Dieser Andere bin nun ich geworden. Daher möchte ich mich zu Beginn kurz vorstellen, denn nicht alle hier Saal kennen mich.

Mein Name ist Karl-Heinz Miebach, ich bin im August 1961 in Köln geboren. Kurz danach, am 13. August wurde in Berlin die Mauer gebaut. Mein Bruder zog mich später immer damit auf, nach meiner Geburt hätten die da drüben sich eingemauert.

Nach dem Abitur und dem Wehrdienst, habe ich an der RWTH in Aachen meinen Abschluss als Diplom-Ingenieur Maschinenbau gemacht mit der Zusatzausbildung zum Schweißfachingenieur. Zwischenzeitlich habe ich meine Frau kennen gelernt und geheiratet. Wir haben miteinander 2 Kinder, die 15 und 17 Jahre alt sind.

Anfang der 90-Jahre habe ich den elterlichen Betrieb übernommen. Wir beschäftigen 8 Mitarbeiter. Unser Schwerpunkt ist zum einen der allgemeine Metall- und Stahlbau für die regionalen Kunden, wie die Stadt Köln, private und Industriekunden und zum anderen der Anlagenbau für die Glasindustrie und die Fertigung und Wartung von Floatbadausrüstungen. Das nicht nur hier in Porz, sondern in ganz Europa. Unser letztes größeres Projekt haben wir letztes Jahr in der Nähe von Lodz, in Polen realisiert.

Wenn man, wie wir, für die Industrie tätig ist, dann können sich vorstellen, dass die Wirtschaftskrise auch an uns nicht ganz spurlos vorübergegangen ist.
Nun, seit dem Jahr 2002 bin ich öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für das Metallbauerhandwerk. Übrigens eine sehr interessante Beschäftigung.

Seit dem Herbst 2008 bin ich außerdem noch stellvertretender Obermeister der Innung für Metalltechnik Köln und Mitglied der Tarifkommission NRW.

Die Tarifverhandlungen mit der IG Metall laufen zur Zeit und gestalten sich schwierig. Die Gewerkschaften setzen mehr auf Lohnerhöhung als auf Arbeitsplatzsicherung.

Nun, soviel zu meiner Person. Nun zu Ihnen:

Ich freue mich, heute morgen an erster Stelle unsere Mitglieder und Fördermitglieder mit Ihren Ehepartnern, Lebensabschnittsgefährten und –gefährtinnen oder Sozialpartnern hier zu begrüßen.

Ich wünsche allen Anwesenden für das neue Jahr vor allem Gesundheit und dann wäre ein wenig Glück, gepaart mit geschäftlichen Erfolg ein schöner Wunsch für das vor uns liegende Jahr 2010.

Ich begrüße unseren Ehrenvorsitzenden Matthias Feld und unseren neu gewählten Präsidenten und ehemaligen Vorsitzenden, Herrn Peter Schumacher.

Unser Handwerk ist vertreten durch

  • Herrn Dr. Ortwin Weltrich, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer zu Köln.
  • Herr Kreishandwerksmeister Nikolai Lucks
  • Herrn Michael Pietraszek, Hauptgeschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Köln
  • Herrn Rechtsanwalt Jens Köhler, RA der Kreishandwerkerschaft Köln
  • Frau Obermeisterin Ingrid Lohmar, Innung für Metalltechnik
  • Herrn Obermeister Gerhard Recki, OM der Schornsteinfegerinnung
  • Herrn Obermeister Haus Krauß, OM der Tischlerinnung
  • Herrn Ulrich Siedler, OM der Mechaniker-Innung
  • Herrn Siegfried Busse, OM der Karosseriebauer-Innung
  • Herrn Dr. Lutz Winkel, Geschäftsführer der Innung SHK


Aus den Reihen der Politik begrüße ich sehr herzlich:

  • Aus dem Bundestag, von der SPD: Herrn Martin Dörmann, MdB und Vorstandsmitglied der SPD-Bundestagsfraktion
  • Von der CDU, sie wird etwas später erscheinen: Frau Ursula Heinen-Esser, MdB und Parlamentarische Staatssekretärin bei dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit. Sie muss heute den Minister vertreten und kommt daher etwas später direkt aus Berlin zu uns.
  • Aus dem Landtag von der CDU: Herrn Jürgen Hollstein, MdL und Vorsitzender des CDU-Kreisverbandes Köln

Aus dem Rat der Stadt Köln sind erschienen:

  • Die 1. stellvertretende Bürgermeisterin Elfi Scho-Antwerpes. Herzlich willkommen! Ich freue mich sehr, dass Sie gekommen sind.
  • Von der SPD: Herr Jochen Ott, MdR der Stadt Köln und Parteivorsitzender der SPD Köln
  • und Herr Frank Schneider mit Frau
  • Von der CDU: Herr Werner Marx
  • und Herr Dr. Nils Helge Schlieben

Aus dem Bezirk begrüße ich ganz herzlich:

  • Der erste Mann in Porz, Herrn Bezirksbürgermeister Willi Stadoll.
  • Die Bezirksbürgermeister a.D. Herrn Horst Krämer
  • und Herrn Hans-Gerd Ervens begrüße ich ebenfalls von dieser Stelle.

Weitere Bezirksvertreter sind erschienen und zwar:

  • Von der CDU: Frau Claudia Evert, CDU-Fraktionsvorsitzende
  • Von der SPD: Herr Christian Joisten, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der SPD
  • Herr Ingo Jureck, SPD Stadtbezirksvorsitzender

Die Porzer Verwaltung wird vertreten durch Ihren Chef, Herrn Bezirksamtsleiter Norbert Becker.

Für die Gebäudewirtschaft der Stadt Köln sind erschienen: Herrn Kaven und Herrn Rostek, herzlich willkommen.

Ich begrüße: Herrn Hans-Joachim Rupp, Geschäftsstellenleiter der Bundesagentur für Arbeit in Porz.

Ich begrüße ebenso den ehemaligen Landtagsabgeordneten aus Porz, Herrn Friedhelm Lenz mit Gattin. Ihnen ganz besonderen Dank von dieser Stelle für Ihr Sponsoring unserer Neujahrsgabe an die Damen im Saal.

Der Piccolo wurde gespendet von Herrn Friedhelm Lenz. Vielen Dank.

Ich begrüße Herrn Michael Melles, 1. Vorsitzender der Bürgergesellschaft Köln von 1863. Ich hoffe, sie han ihr Mütz dabei. Gleich kütt et 3-Gestirn.

Von der Sparkasse Köln/Bonn sind erschienen: Herr Thomas Becker und Herr Werner Nöthen

Die Kölner Bank ist vertreten durch Herrn Joachim Junker und Herrn Alexander Hoß.

Ebenso begrüße ich die Vertreter der Presse.

Unseren Hausherrn, Herrn Dr. Jürgen Heinze, Pfarrer des Seelsorgebereichs Porzer Rheinkirchen kann ich erst später willkommen heißen. Er liest zur Zeit noch die Messe.

Nun, wenn ich mir Sie so anschaue und betrachte mir den Einen oder Anderen etwas genauer: Verdammt alt geworden, was?

Peter (Schumacher), deine Haare werden auch langsam dünner. Wolfgang (Floßbach), dein Friseur macht auch schon Kurzarbeit.

Aber keine Angst, ich werde hier nun nicht alle vorführen. Ich selbst habe mittlerweile auch reichlich graue Haare bekommen.

Im November letzten Jahres war ich auf Einladung unseres Regierungspräsidenten, Herrn Peter Lindlahr, auf einer Veranstaltung zum Thema „Demographie“. Fast eine ganze Stunde hat ein Referent der Bertelsmann-Stiftung es in äußerst kurzweiliger Art verstanden, die Problematik den Zuhörern nahe zu bringen.

Demographie.
Haben wir alle schon mal von gehört, wir werden alle älter, na klar, was soll das, was geht das mich an? Irgendwann beißen wir halt alle mal ins Gras, der Eine früher und der Andere eben später. Aber so einfach ist das nicht und können wir es uns auch nicht machen.

Die wenigsten von Ihnen werden wissen, dass bei uns in Deutschland im letzten Sommer erstmals mehr Produkte gegen Inkontinenz verkauft wurden, als Windeln für Säuglinge. Ich kann mich an Zeiten erinnern, als auf großen Familienfeiern, wie z.B. Hochzeiten, es separate Kindertische gab, damit die Pänz unter sich waren und die Unterhaltung der Eltern nicht störten.

Wie sieht das heute aus: Gelegentlich wuselt mal ein Kind um die Beine und langweilt sich, weil keine anderen da sind zum spielen.

Meine Damen, meine Herren, das sollte uns zu denken geben: Ist die Gesellschaft, sind wir, wirklich vorbereitet auf uns „Alte“?

Einige Beispiele:

  • Sind die Tasten von Geldautomaten so gestaltet, dass wir sie auch noch mit arthritischen Fingern bedienen können?
  • Sind die Bildschirme so scharf und kontrastreich, dass wir sie auch noch mit den Einschränkungen einer Makula-Degeneration benutzen können? (Darunter versteht man eine massive Sehschwäche im Sehzentrum.)

Oder bei der Bahn:

  • Wo bringen wir in einem ICE-Triebwagen, z.B. 6-8 Rollatoren unter, denn wir sind ja nicht die einzigen „Alten“, die unterwegs sind?
  • Verstehen wir überhaupt noch die Lautsprecherdurchsagen auf dem Bahnsteig?

Frage an den Hörgeräteakustikermeister Jahn:

  • Gibt es Hörgeräte, die uns ermöglichen diese Lautsprecherdurchsagen zu verstehen, oder anders gefragt:
  • Gibt es Lautsprecher, die die Ansagen so klar und deutlich wiedergeben, dass wir sie überhaupt verstehen können?
  • Und wenn ja, werden diese auch wiederholt, weil unsere Auffassungsgabe im Alter nachlässt? Und zwar nicht in Bundesbahn-Englisch der DB, sondern noch mal langsam in deutsch.

Die Hälfte aller niedergelassenen Ärzte ist in einem Alter von über 50 Jahren. Einen haben wir hier vorne sitzen. Guten Morgen, Herr Dr. Höffinghoff.

Das heißt, dass bereits in ca. 10 Jahren ein Großteil der Arztpraxen nicht mehr besetzt werden können. Wir hier in Köln mit einer Universitätsklinik haben es noch relativ gut, aber was passiert in den ländlichen Regionen? Wird es im Jahre 2020 noch eine medizinische, flächendeckende Versorgung im Sauerland und in der Eifel  geben?

Meine Damen, meine Herren, das sind ganz konkrete, handfeste Probleme, die da auf uns zukommen.

Jetzt aber mal wieder zurück zu uns, zu uns Handwerksmeistern mit unseren Betrieben:

Wer hat sich schon mal Gedanken über dieses Problem in seinem Betrieb gemacht? Welcher Betrieb ist darauf vorbereitet? Wie hoch ist das Durchschnittsalter der Beschäftigten? Sind die Arbeitsplätze so eingerichtet, dass auch noch 65-jährige Mitarbeiter dort arbeiten können, z. B. hinsichtlich Hebehilfen, Beleuchtung, Sitzplatz, etc.?

Sind wir bereit, in unsere 60-jährigen Mitarbeiter noch eine Weiterbildungsmaßnahme zu investieren, bzw. sind unsere Mitarbeiter auch bereit, mit 60 Jahren noch eine Weiterbildungsmaßnahme zu besuchen?

Wir reagieren wir auf die älter werdende Kundschaft? Z.B. durch Anpassen unserer Produkte: Kleinere Packungseinheiten bei den Nahrungsmitteln. Zusätzliche Haltegriffe an Duschen und Toiletten; Geländer und Handläufe an Hauseingangstreppen. Selbst 2-3 Stufen zur Haustür können zum unüberwindbaren Hindernis werden.

Auch im privatem Bereich:
Wenn Sie selbst keine Kinder haben oder aber Ihre Kinder nicht in der Nähe wohnen, wer pflegt Sie, wenn Sie alt sind? Auf Grund der Globalisierung unserer Wirtschaft und der geforderten Flexibilität hinsichtlich des Arbeitsplatzes ist es bei weitem nicht mehr selbstverständlich, dass Ihre Kinder in der Nähe wohnen bleiben.

Das sehe ich selbst in meinem privatem Umfeld: Meine Schwiegereltern wohnen in München und haben 2 Töchter. Die eine habe ich geheiratet. Sie lebt also hier in Köln. Die andere wohnt mit Ihrem Lebensgefährten in Traunstein, also rund 100 km von zu Hause entfernt. Da fährt man nicht mal eben 3 mal am Tag zum Windelwechseln nach München.

Der demographische Wandel ist mittlerweile zu einem gesellschaftspolitischen Großthema geworden und die „demographische Belastungsprobe“ steht uns noch bevor. Es ist im Nachhinein auch müßig, darüber zu debattieren, warum in Frankreich schon seit den 70er Jahren die Geburtenrate über 2,0 liegt und bei uns bei ca. 1.3.

Bei den Frankreich ist zwar ländlicher, jedoch ähnlich entwickelt wie Deutschland. Die Franzosen haben es allerdings verstanden, jungen Müttern den Wiedereinstieg in den Beruf durch ausreichende Krippen- und Kindergartenplätze zu erleichtern.

Wir in Deutschland zahlen dafür lieber aus ideologischen Gründen die „Herdprämie“ oder besser gesagt das „Gluckengeld“. Es herrscht weitestgehend Ratlosigkeit, wie auf diese vorhersehbaren Veränderungen zu reagieren ist. Das Thema wird verdrängt und dringend notwendiges Handeln unterbleibt.

Klar ist bereits jetzt, dass uns Sozialsystem unzureichend darauf vorbereitet ist und damit meine ich in erster Linie unsere sozialen Sicherungssysteme: vorrangig unser Renten-, Kranken- und Pflegesystem.

Nur, wie gehen wir das Problem an?

Angesichts der Herausforderung durch den demographischen Wandel hat unser Bundespräsident Horst Köhler einen „Klimawandel in Deutschland“ gefordert. Die Zukunftsfähigkeit einer älter werdenden Gesellschaft hänge maßgeblich davon ab, ob es ihr gelingt, Menschen mit unterschiedlicher Herkunft, unterschiedlichen kulturellen Prägungen und sozialem Status zu integrieren, so unser Bundespräsident.

Ein augenfälliges Merkmal gesellschaftlicher Vielfalt ist der wachsende Anteil von Menschen, deren ethnisch-kulturelle Wurzeln nicht in Deutschland liegen. Heute haben in Deutschland rund 20 Prozent der Bevölkerung einen Migrationshintergrund. Aufgrund der unterschiedlichen Geburtenzahlen wird der Anteil dieser Bevölkerungsgruppe weiter wachsen.

Und, meine Damen und Herren, ich möchte hier gar nicht auf näher auf das Thema „Ausländer in Deutschland, Migranten und Integration“ eingehen, das würde den Rahmen sprengen.

Fakt ist, dass wir auf diese Menschen schon in naher Zukunft angewiesen sind. Denn eigene Kinder haben wir zu wenig.

Unser Bundespräsident führt hierzu aus:
„Gemeinschaft ist ohne Gemeinsamkeiten nicht möglich. Zu diesen Gemeinsamkeiten gehörten die bestmögliche Beherrschung der deutschen Sprache, der Respekt vor den Mitmenschen, die Anerkennung von Recht und Gesetz, die Bejahung des demokratischen Gemeinwesens und seiner politischen Institutionen, sowie der Wille jedes Einzelnen, nach Kräften zum guten Miteinander beizutragen.“
Soweit die Worte unseres Bundespräsidenten Horst Köhler.

Verschärfend kommt noch ein anderes Problem hinzu und zwar das der Auswanderung: Im vergangenen Jahr haben knapp 145.000 Bundesbürger ihren Wohnsitz ins Ausland verlegt. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes sind das so viele wie seit 1954 nicht mehr.

Die meisten von ihnen zog es in die Schweiz und nach Österreich (16 %). Etwa jeder Zwölfte ging in die Vereinigten Staaten oder nach Kanada. Beliebt waren außerdem Polen und Großbritannien (jeweils 6 %) sowie Frankreich und Spanien (je rund 5 %).

Als Beweggründe wurden genannt:

  • Berufliche Aufstiegschancen
  • die Partnerschaft
  • Frustrationen über Bürokratie.

Nur, die Frage stellt sich: Wer wandert aus?

Das sind zum großen Teil junge, gut ausgebildete Menschen. Das heißt, sie sind hier aufgewachsen, zur Schule gegangen, haben studiert und sind dann weg.
Die Ausbildung eines Facharztes kostet den Steuerzahler weit über 80.000 Euro. Da sind die vorherigen Kosten der Schulausbildung und für die Erziehung noch gar nicht eingerechnet, geschweige denn die fehlende Arbeitskraft der Mutter wurde berücksichtigt, die zu Hause geblieben ist, weil es in Deutschland so gewollt wird.

Aber mal ehrlich, können wir es den Auswanderern denn verübeln, wenn sie einem Staat den Rücken kehren, der seit Jahrzehnten auf die drängendsten Fragen der Gesellschaft nur unzureichende Antworten liefert.

Der Migrationsforscher Professor Klaus Bade beschreibt die Sachlage so:
„Es fehlt an dem Glauben, dass überhaupt noch etwas bewegt werden kann. Undurchlässige Hierarchien und zu viel Bürokratie geben viele für Ihre Abkehr aus Deutschland an. Es findet ein Exodus von Hochqualifizierten statt.
Es hat ein Export von Talenten eingesetzt. Naturwissenschaftler, Ärzte und Selbständige verlassen die Bundesrepublik zu Tausenden. Es gehen die Starken, die Entscheidungsfähigen, die Risikobereiten.
Auf der anderen Seite fehlt immer noch ein schlüssiges Gesetz zur Einwanderung, um diese Verluste auszugleichen. In der Zuwanderung steuern wir zu wenig und wählen zu wenig die Leute aus, die wir brauchen.
Bei denjenigen, die hochqualifiziert sind, erkennen wir häufig diese Erfahrungen nicht an. Hunderttausende von Physikern, Architekten oder auch Ärzte fahren in Deutschland Taxi und sind Hausmeister.“
Soweit die Ausführungen von Prof. Klaus Bade.

Das können wir uns bereits jetzt schon nicht mehr leisten.

Uns bleibt gar nichts anderes übrig, als diese Menschen zu integrieren und die weniger Qualifizierten auszubilden. Wir müssen unsere Ansprüche gegenüber dieser Bevölkerungsgruppe durchsetzen, nämlich da wären in erster Linie die Integrationsbereitschaft.

Sonst können wir unser Sozialsystem und unsere sozialen Sicherungssysteme vergessen.

Und vor allem sollten wir uns im klaren sein, dass diese Integration nicht umsonst ist, sondern verdammt viel Geld kosten wird.

Geld, was zur Zeit nicht da ist.

Ich mache mal eine kurzen Schlenker zu unserer Heimatstadt:

Umso erstaunlicher wirken da die Beschlüsse unseres Rates der Stadt Köln: Die Augen werden geschlossen vor diesen drängenden Aufgaben. Stattdessen genehmigt man sich den Um-, bzw. Neubau von Oper und Schauspielhaus.

Unsere regionalen Volksvertreter haben offensichtlich jegliche Hemmungen über Bord geworfen. Kurz vor Weihnachten werden mal eben knapp € 300 Millionen durchgewunken. Selbst wenn es bei den Baukosten bleibt, was nicht zu erwarten ist bei städtischen Bauvorhaben, bleibt die Frage: Woher nehmen?

Sicherlich hat ein Gemeinwesen auch kulturelle Aufgaben wahrzunehmen und Sorge zu tragen, dass unsere Kultur nicht in Vergessenheit gerät und gepflegt wird. Aber das muss man sich auch leisten können. Und wenn nichts im Beutel ist, müssen die Sprünge eben etwas kürzer ausfallen oder verschoben werden.

Ich frag mich nur, wie passt das Verhalten unserer Ratsfrauen und -herrren mit den Äußerungen unseres Stadtkämmerers Norbert Walter-Borjans zusammen. Ich zitiere ihn mit einer Äußerung vom 2. Januar diesen Jahres im KStA: „Wir leisten uns zu viel und bezahlen zu wenig.“ Angesichts eines € 540 Millionen Lochs im städtischen Haushalt sollen alle Subventionen auf den Prüfstand.

Unser Stadtkämmerer rechnet uns dann vor, dass die Eintrittskarten für die Oper oder das Schauspiel rund das sechsfache von dem kosten müssten, was sie zur Zeit kosten. Der Aufschrei des Kulturdezernenten folgt logischerweise auf dem Fuß. Ja, Kultur muss man sich halt auch leisten können.

Das sehe ich zur Zeit nicht als gegeben an.

Als Dreistigkeit der besonderen Art werte ich folgenden Vorschlag unseres Stadtkämmerers: Er möchte höhere, kostendeckende Gebühren durchsetzen, z.B. für Eheschließungen, Registereintragungen, Beurkundungen von Geburts- und Sterbefällen.

Moment mal, habe ich da etwas falsch verstanden: Die Beamten, die diese Tätigkeiten ausführen, werden aus Steuergeldern bezahlt. Jedes Büro, samt Einrichtung und Heizung, jedes Blatt Papier und jeder Kugelschreiber werden aus Steuergeldern bezahlt. Bezahlen wir dann diese Leistung nicht doppelt?

Spinnen wir den Gedanken mal weiter: Ich mache folgenden Vorschlag: Für jede Steuererklärung und jede Zahlung an das Finanzamt zahlen wir ab sofort noch obendrauf eine Verwaltungs- oder Bearbeitungsgebühr. Denn durch diese, von uns Bürgern veranlasste Aktion, wird ja eine Verwaltungstätigkeit erforderlich, die bezahlt werden muss. Aber ich möchte die Damen und Herren nicht au dumme Gedanken bringen und die Sache nicht in Lächerliche ziehen, dafür ist sie zu ernst.

Kommen wir zurück zu unseren Sozialversicherungen:
„Wir haben einen der leistungsfähigsten Sozialstaaten der Welt“, frohlockte im Sommer noch unser damaliger Arbeitsminister Olaf Scholz, als er den Sozialbericht der Bundesregierung präsentierte. Letztes Jahr flossen € 754 Milliarden in die Sozialleistungen. Das entspricht 31,9% der Wirtschaftsleistungen und dieses Jahr werden es 32,4% sein. Also rund jeder dritte (!) Euro geht in die Sozialtransfers.

Nur so leistungsfähig ist unser Sozialstaat nicht, es wird zwar viel Geld umgeschichtet, aber den wirklich Bedürftigen hilft es nicht immer in ausreichendem Maße. Die Debatte über Kinderarmut ist berechtigt. Auch hier in Köln gibt es mittlerweile etliche Suppenküchen.

Im Gesundheitswesen versickern Milliarden. Der Sozialstaat ist trotz seines Finanzvolumens nicht effizient.

In der augenblicklichen Wirtschaftskrise wird deutlich: Wir haben zunehmend einen Sozialstaat auf Pump. Unsere Kinder und Enkel können dies nicht als sozial empfinden. Sie werden die Schulden abbezahlen müssen.

Allein die Bundesagentur für Arbeit wird in diesem Jahr ein Defizit von ca. € 22 Milliarden haben, das bis 2013 auf jährlich € 50 Milliarden anwachsen wird. Der Bund springt zwar mit einem Darlehen ein, muss sich dafür aber wiederum verschulden.

Auch in der Krankenversicherung hilft der Steuerzahler mit gepumpten Milliardenbeträgen. Gleichzeitig drohen den Versicherten Zusatzbeiträge auf breiter Front. Das liegt  nicht allein an der Wirtschaftskrise, sondern liegt auch am unterfinanzierten Gesundheitsfond.

Jetzt rächt es sich bitter, dass Union und SPD in guten Zeiten nicht vorgesorgt haben. Im Gegenteil: Die große Koalition hat in der Sozialversicherung Leistungen ausgeweitet und in der Arbeitslosenversicherung die Beiträge stark gekürzt. In der Rentenpolitik wurden Fehlentscheidungen getroffen, die in Zukunft fatal zu Buche schlagen werden.

Die sich anbahnende Krise ist auch hausgemacht und nicht nur auf die globale Rezession zurückzuführen.

Im Wahlkampf des letzten Sommers wurde diese Problematik von Merkel und Steinmeier verdrängt. Beide verkauften uns Wähler in unerträglicher Weise für dumm. Kurzfristig hat die neue Regierung nur die Wahl zwischen Pest und Cholera, das ist mir schon klar.

An höheren Abgaben wird wohl kein Weg vorbeiführen.  Sie müssen jedoch moderat sein, um eine mögliche wirtschaftliche Erholung nicht zu gefährden. Aber auch Leistungen des Sozialstaates müssen auf den Prüfstand.

Aber in erster Linie muss der Rotstift bei den Staatsausgaben angesetzt werden. Sonst wird der Sozialstaat nicht auf Dauer zu finanzieren sein. Es wird kein Geld für eine langfristige Innovations- und Wachstumsstrategie da sein, die zu mehr Arbeit führt. Das ist jedoch die Lebensader eines intakten Sozialstaates.

Also, meine Damen, meine Herren, ich fasse kurz zusammen:

  • Wir haben eine älter werdende Gesellschaft.
  • Wir haben zu wenig eigene Kinder.
  • Die Kinder mit Migrationshintergrund sind oftmals schlecht ausgebildet.
  • Die qualifizierten Einwanderer lassen wir nicht entsprechend ihrer Qualifikation arbeiten.
  • Dafür verlassen uns jedes Jahr Tausende gut ausgebildete, junge Deutsche.

Und zu guter Letzt:

  • Unsere Gesellschaft steckt vor diesem Problem den Kopf in den Sand und lässt die sozialen Sicherungssysteme kollabieren.

Ich wünsche Ihnen alles Gute für das kommende Jahr 2010 und danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

Karl-Heinz Miebach

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