Porzer Handwerksmeister

Verein Selbständiger Handwerksmeister Porz e.V. 1907



Neujahrsansprache 2009

19.01.2009

Meine Damen und Herren,

Wie üblich habe ich mich in den letzten Wochen und Tagen - wie in den Jahren zuvor - nahezu zwangsläufig mit Vergangenem und Aktuellem beschäftigt. Wenn „Finanzkrise“ und „Rezession“ zu Unworten der Stunde, ja des Jahres gewählt worden sind, dann scheint doch Dramatisches geschehen zu sein.

Der eine oder andere von Ihnen mag sich noch an meine Schlussworte der letztjährigen Neujahrsansprache erinnern: „Der Übergang in ein neues Jahr, meine Damen und Herren, ist so etwas wie eine Theaterpause. Man geht ans Buffet auf ein Gläschen und kommt auf seinen Platz zurück. Optimisten hoffen dabei, dass der nächste Akt besser sein wird als der vorherige“.

Hat sich unsere Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung derart zurück entwickelt, daß nur noch reflektorische Grundanschauungen wie Optimismus oder Pessimismus die Zukunftserwartungen prägen? Bestimmen einige Artikel des Kölner Grundgesetzes die Handlungsvorstellungen vieler Betroffener: „Et es wie et es“, „Et kütt wie et kütt“ und „Et hät noch immer jood jejange“?

Meine Damen und Herren, es ist ja nicht so, als ob das derzeitige politische und wirtschaftliche Unheil wie die Macht des Schicksals über uns gekommen ist – das wäre eher ein Opernstoff -, es sind vielmehr sich entwickelnde und dann sich akkumulierende Faktoren, denen viele Unternehmensführer, Manager und auch Politiker mehr oder weniger hilflos gegenüberstehen. Das, was wir seit Wochen und Monaten in der großen Politik erfahren und erleben, ist letztendlich das Ergebnis einer Gesellschafts- und Wirtschaftsstruktur, die sich in den letzten Jahren, ja man kann sagen, in den letzten beiden Jahrzehnten entgegen den Grundsätzen unseres seit nahezu 60 Jahren bestehenden Ordnungssystems „Soziale Marktwirtschaft“ entwickelt hat. Die Gier nach Geld, die Gier nach Macht bestimmten in vielen Fällen das Maß des Wirtschaftens, des Handelns in der Politik und im Agieren in vielen unserer Unternehmungen. Und dies alles, meine Damen und Herren, wohlwollend gebilligt von Politik, Wirtschaft und Banken . Sie fanden ihre gesellschaftlichen Spielwiesen in Aufsichtsräten und Beiräten.

Der seriösen Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik wird langsam aber sicher der feste Boden unter den Füßen weg gezogen. Wir sollten wachsam bleiben und uns dagegen wehren!

Es waren Verfehlungen einzelner Wirtschaftsführer und deren strategische Berater, die zu Einzelkrisen führten. Es handelte sich um Menschen, die die ihnen anvertrauten Werte, zu denen auch und insbesondere die Mitarbeiter zählen, im wahrsten Sinne des Wortes veruntreuten! Menschen an vorderster Front ohne Kompetenznachweise fühlen sich zur Gestaltung unserer Arbeits- und Lebensbedingungen berufen. Es handelt sich vornehmlich – aus meiner Sicht – um Persönlichkeiten der Wirtschaft und der Politik, die den Weg in die heutige Misere mitgestaltet oder zumindest billigend in Kauf genommen haben. Und ausgerechnet einige dieser Personen sollen und wollen den Karren wieder aus dem Dreck ziehen! Es hat doch keiner mehr Verständnis dafür – meine Damen, dass sich diese so genannten „Topmanager“ immer noch in Führungspositionen befinden und ein staatlicher Rettungsschirm aufgespannt wird, der aus Steuergeldern gespeist wird.

Wenn unsereiner, der Mittelstand, in echte Liquiditätsprobleme kommt und sich daraus weder mit eigenem Geld noch mit fremden Kreditmitteln befreien kann, dann… bleibt uns kurzfristig nur der Gang zum Amtsgericht, nämlich der Gang in die Insolvenz. 

Wir Selbständigen – wir kleinen und mittleren Unternehmer – müssen uns darauf konzentrieren, müssen erkennen und unseren politischen Vertretern und Handwerksverbänden versuchen mitzuteilen, dass sowohl das Schicksal unserer Mitarbeiter als auch unser eigenes, deren und unsere soziale Sicherheit sowie die Sicherheit der Arbeitsplätze von der Erhaltung der Produktiv- und Leistungskraft und der Beibehaltung und Steigerung individuellen Verantwortungsbewusstseins abhängen.

Aber - nicht nur wir Unternehmer sind in der Verantwortung, sondern auch unser Staat!! Ihm sollte die Erfüllung der fundamentalen Aufgaben ans Herz gelegt werden. Die moderne Wirtschaftsentwicklung erfordert immer qualifiziertere Arbeitsleistungen, wie etwa in den Bereichen der Technologie, der Erziehung, der Bildung und Ausbildung, der Energie. Dadurch ist unser Staat bzw. unsere Gesellschaft gezwungen, zunehmend in geistiges Kapital zu investieren, um z.B. auch allen jungen Menschen, die in unserer Gesellschaft ihren Platz finden wollen, den Eintritt in das Berufsleben zu erleichtern und den Aufstieg zu ermöglichen. Aber auch denjenigen Menschen, die normalen und notwendigen Gesundungsprozessen zum Opfer fallen, muß ein entsprechendes, vernünftiges – ich wiederhole „ein vernünftiges!!“ Umschulungsangebot gemacht werden können, damit sie nicht bereits in jungen Jahren auf das Abstellgleis der Arbeitslosigkeit verbannt werden.

Die in technischer und kaufmännischer Hinsicht gute Ausbildung junger Mitarbeiter sollte uns am Herzen liegen. Es ist eben nicht nur eine gesellschaftspolitische Aufgabenstellung, jungen Menschen eine berufliche Chance und eine berufliche Heimat zu geben. Wir selbst und damit die Existenz unserer Betriebe ist auf dieses Reservoir angewiesen. Wie sonst sollten wir auf lange Sicht Erfolg haben können? Unsere Betriebe brauchen befähigte Nachfolger und diese sollten wir selbst aus der von uns bestens ausgebildeten Mitarbeiterschaft rekrutieren können.

Mehr Bildung gehört zum Wichtigsten, was dieses Land in den kommenden Jahren leisten muß. Man darf nicht die Anforderungen dauernd herunterschrauben, damit am Ende jeder das Abitur bekommt. Zu meiner Schulzeit war es nicht diskriminierend „Sitzen zu bleiben“. Das passierte! Das war halt persönliches Pech! „Setz Dich auf den Hosenboden und arbeite fleißiger“ war die  Devise oder die Sanktion. Heutzutage wird alles daran gesetzt, dass – trotz schlechter Leistungen - keiner die Klasse zu wiederholen braucht – so heißt es seit Neuestem aus NRW. Zeugnisse bei Vorstellungsgesprächen – das wissen wir inzwischen – sind nicht mehr aussagefähig, da bereits durch Lehrpersonen geschönt, in der Hoffnung, dadurch jungen Menschen eine bessere Chance auf einen Ausbildungsplatz schaffen zu können.

Ich bin der Meinung, man muß die Anforderungen steigern und mit mehr Lehrpersonal dafür sorgen, dass möglichst viele einen ordentlichen und ehrlichen Schulabschluß schaffen, und mit Lust und Freude etwas leisten können und wollen.

Hierzu vielleicht kurz ein Beispiel aus meiner Unternehmertätigkeit und aus meiner Innung:

Zu meiner Ausbildungszeit musste eine gewisse Anzahl von Gesellenjahren nachgewiesen werden, um einen Antrag zur Aufnahme in die Meisterschule stellen zu können. Dies war notwendig, um gewisse praktische Erfahrungen und Fähigkeiten auszubauen und nachweisen zu können. Immerhin – meine Damen und Herren - bedeutet der Meisterstatus – so war es zumindest zu meiner Zeit - die höchste Stufe der praktischen Ausbildung eines handwerklichen Berufes.
Gesellenjahre sind heute nicht mehr notwendig!! – zumindest nicht mehr in diversen Berufen.

Beispiel: Auszubildende können heute direkt nach Abschluß der Gesellenprüfung die Meisterschule besuchen und, damit sicher gestellt ist, dass ein Meisterschulplatz frei ist, meldet man sich gleichzeitig mit der Unterzeichnung des Ausbildungsvertrages auch in der Meisterschule an.
Damit könnte man ja noch leben!!! Aber es kommt noch viel schlimmer:   Auszubildende, die nach der Lehrzeit nicht übernommen werden -  das sind in der Regel die schlechteren Schüler und Azubis – sie melden sich zwangsläufig beim Arbeitsamt arbeitslos und bekommen als Bonbon! und als Weiterbildungsmaßnahme kostenlos!!! einen Meisterkursus angeboten. Die Meisterabschlußklassen in Köln – so sagt man – weisen eine Durchfallquote von etwa 50 % aus. Geht man nach Düsseldorf – so sagt man – fallen nur 2 bis 5 % der Schüler durch. Auf welchem Leistungsniveau bewegen wir uns hier??  Das ist für mich ein klarer Fall eines handfesten Skandals. Man kann nur fassungslos den Kopf schütteln!

Die Auszubiildenden aber, die gut waren und vom Arbeitgeber übernommen werden, müssen für den Meisterkursus als Belohnung für Willens- und Leistungsbereitschaft ca. EUR 8.000 bis 12.000 aus eigener Tasche bezahlen oder über Jahre Abendkurse besuchen.

Können Sie sich die Reaktion meiner Mitarbeiter vorstellen, als ich ihnen diese Information, die ich im Übrigen von meinem Innungsgeschäftsführer erhielt, weitergab?? Chef , ich bitte um Kündigung, lasse mir meine Meisterausbildung vom Arbeitsamt bezahlen und komme im Anschluß wieder…

Täglich hören und lesen wir, dass unser Ausbildungsniveau – auch gerade in NRW – miserabel ist und hinter anderen Ländern hinterherhinkt! Trotzdem stellen wor fest, dass unser Ausbildungsniveau weiterhin abnimmt oder zumindest stagniert.

Meine Damen und Herren, sind Sie nicht auch mit mir der gleichen Meinung:  Versündigen wir uns nicht an unseren jungen Menschen?

Gewaltige Anstrengungen in den Bereichen Erziehung und Bildung sind von unseren Verantwortlichen zu planen und auch endlich einmal umzusetzen.
Nehmen Sie es mir nicht übel – meine Damen und Herren der Handwerksver-
tretungen – und ich möchte Sie mit Sicherheit nicht persönlich angreifen, aber sind wir Handwerker und Sie als unsere Interessensvertreter denn nicht in der Lage, den Politikern klar zu machen, dass unser Gesellen- und Meisterniveau dringend von Grund auf auf eine andere geistige Ebene gebracht werden muß?

Einige meiner Kollegen aus dem Verein Selbständiger Handwerksmeister und ich haben im Herbst vergangenen Jahres den Kontakt zur Max-Planck-Realschule in Porz gesucht und sind mit der Schulleiterin Frau Heßeler, die ich übrigens hiermit aufs Herzlichste begrüße.

????? die sehr kooperativ war – übereingekommen:

Wir selbst, wir Handwerksmeister, müssen den jungen Menschen die Freude an unserem jeweiligen Handwerk, die qualifizierten Arbeiten und die Aufstiegsmöglichkeiten bis hin zur Selbstständigkeit näher bringen. Wir werden in der Schule, in den Abschlußklassen an einem Vormittag jeweils unsere Berufe gemeinsam vorstellen. Anschließend können die Schüler uns jeweils zum für sie interessanten Gewerk konkret befragen … Eigengewächs ….

Termin für dieses Projekt ist der 21. Januar 2009. Ich könnte mir vorstellen, dass uns die Presse hierbei aktiv unterstützen möchte.

Vielleicht gelingt es uns, den jungen Menschen anhand unserer Vorträge und Erklärungen die Begeisterung fürs Handwerk nahe zu bringen und ihnen klar zu machen, dass der Weg vom „Blaumann“ zum „Anzug“ oder gar zur Selbständigkeit qualifiziert möglich und erstrebenswert ist. Eben betonte ich ja bereits, dass unsere Gesellschaft gezwungen ist, zunehmend in geistiges Kapital zu investieren, da die Entwicklung immer qualifizierte Arbeitsleitungen benötigt. Nehmen wir beispielsweise meinen Beruf – Heizung/Sanitär.

Richtig ist, dass wir detailliert ausbilden müssen und damit Spezialisten heranziehen. Es ist gleichgültig – in jeder Branche benötigen wir sie: Bäcker, Konditoren, Optiker, Schreiner, Elektriker, Automechaniker usw.

Wir – mehr oder weniger – wir alle, meine Damen und Herren, haben in den letzten Jahrzehnten sicherlich gut verdient, konnten auch mit Hilfe unserer Vorgenerationen, doch Einiges an gesunden Betrieben und auch privatem Vermögen aufbauen und erhalten. Wir Selbständige, ob Handwerker, Produzenten, Dienstleiser oder Händler, müssen in dieser heutigen Situation durchhalten, unsere innere Haltung konsequent beibehalten und unserer Idee der Selbständigkeit treu bleiben, auch wenn uns dies in den letzten Jahrzehnten zunehmend schwerer gemacht worden ist. Dem sozialistischen Bild des Einheitsmenschen, von oben geplant und zentral gesteuert, müssen wir ganz klar entgegentreten. Meine Damen und Herren, dazu sind wir als selbständige Unternehmer uns selbst gegenüber verpflichtet, das sind wir unseren Kindern, unseren Familien, und den uns anvertrauten Mitarbeitern schuldig. Wir sollten die Idee der sozialen Marktwirtschaft hochhalten, nachdem sich daran in Teilbereichen sowohl die Politik als auch die private Wirtschaft erheblich versündigt haben.

Wir benötigen, meine Damen und Herren, eine aktive Gesellschafts- und Wirtschaftspolitik, die den Menschen in seiner Individualität in den Vordergrund stellt und ihm den notwendigen Raum zur individuellen Entfaltung zum Streben nach persönlicher sozialer Sicherheit in größtmöglicher wirtschaftlicher Freiheit schaffen hilft.

Sehr geehrte Damen und Herren, ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit und Geduld. Stoßen Sie mit mir gemeinsam auf die Zukunft an.

Nun möchte ich noch etwas sagen, was heute im Speziellen den Verein Selbständiger Handwerksmeister betrifft:

Dies war der letzte Neujahrsempfang unter meinem Vorsitz. In diesem Jahr stehen wieder Neuwahlen an. Ich möchte Ihnen sagen: Es hat mir 14 Jahre Spaß gemacht, diesem Verein vorzustehen. Ich bedanke mich bei Ihnen, sehr geehrte Damen und Herren, für die Geduld, mit der Sie meinen Ansprachen „gelauscht“ haben. Bedanken möchte ich mich aber auchbei allen Damen und Herren aus Handwerk, Wirtschaft und Politik, dass Sie unseren Neujahrsempfang zu dem Stellenwert durch Ihre Anwesenheit gemacht haben, den er heute im Kölner Raum gewonnen hat. Vor allem danke ich meinem Vorstand für den phantastischen Einsatz mitsamt den dazugehörenden Damen. Wir haben viel gemeinsam gearbeitet und dabei viel Freude gemeinsam gehabt. Dankeschön Euch allen dafür. Aber Sie alle, meine geschätzten Damen und Herren, möchte ich bitten, auch meinem Nachfolger das Vertrauen und die Treue entgegen zu bringen, die sie auch mir gegenüber gezeigt haben. Ich persönlich wünsche ihm für die kommenden Jahre Glück und Erfolg bei seinem Wirken und möge er in den kommenden Jahren viele junge Menschen für unseren Verein begeistern können.

Nun ja,  ich gehe wirklich mit einem lachenden und einem weinenden Auge, aber - nach so vielen Jahren bin ich der Überzeugung - muß auch wieder frischer Wind mit einem erneuerten Vorstand wehen. Es gibt bestimmt neue Ideen und Vorstellungen, an unserem Verein weiter zu arbeiten. Freuen Sie sich mit mir auf den Neujahrsempfang 2010.        

So, meine Damen und Herren, jetzt haben Sie Zeit zur Diskussion und zu Gesprächen.

< -- zurück zu: Archiv