Porzer Handwerksmeister

Verein Selbständiger Handwerksmeister Porz e.V. 1907



Neujahrsansprache 2008

05.03.2008

Meine Damen und Herren,Walther Rathenau, am Ende seines Lebens Reichsaußenminister Anfang der 20-er Jahre, formulierte einmal als Neujahrswunsch:Weniger Rede, mehr Gedanken, weniger Interessen, mehr Gemeinsinn.Ich habe mir auch Gedanken gemacht, auch im Wesentlichen über den Gemeinsinn, meine aber, dass das Ergebnis in einer Rede zum Ausdruck kommen muss.Ich möchte gerne über das reden, was mich und auch meine Handwerkskollegen – das weiß ich aus Gesprächen - bedrückt, was uns Angst macht, und mit dem wir uns alle, insbesondere auch wir freien Gewerbetreibende, stärker und nachhaltiger auseinandersetzen müssen.Verfolge ich in den letzten Tagen und Wochen Presse, Funk und Fernsehen richtig, dann glaube ich ausmachen zu können, dass wir derzeit in unserer Gesellschaft und in unserer Wirtschaft offensichtlich nur zwei wesentliche Probleme haben, deren Lösung von verschiedenen Seiten angestrebt wird:Zum einen die strafverschärfte Behandlung jugendlicher Krimineller und zum anderen die gesetzliche Einführung eines Mindestlohns über alle Regionen und Branchen unseres Landes hinweg.Das erstgenannte Problem ist sicherlich von allergrößter Wichtigkeit, aber mich berührt heute hier eher der ökonomische Teil der derzeitigen Problemlage.Musste die SPD sich aufgrund ihrer Zustimmungsverluste in der Zeit nach Schröder Themen suchen, von denen sie eine hohe Zustimmungsquote in unserer Bürgerschaft erwarten konnte, und nachdem es ihr gelungen war die andere Volkspartei, die Union, zur Zustimmung zum gesetzlichen Mindestlohn für Postzusteller zu bringen, lag es für diese Partei nun auf der Hand, zur Stärkung ihres Wählerpotentials für die kommenden Landtagswahlen die Forderung nach gesetzlicher Einführung eines allgemeinen Mindestlohns zu deren Hauptanliegen zu machen.Und damit dies lediglich als vermeintliche Umsetzung des Bürgerwillens kaschiert werden kann, organisiert man auch noch entsprechende Unterschriftsaktionen.Die gesetzliche Einführung eines Mindestlohns, gleich in welcher Höhe greift massiv und endgültig in die seit Beginn unserer Republik bestehende Vertragsfreiheit von Arbeitgebern und Arbeitnehmern ein; sie untergräbt die über alle Jahrzehnte hinweg bestehende Tarifvertragshoheit von Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden. Das die Spitze des Deutschen Gewerkschaftsbundes diesem gesetzlichen Instrumentarium bereits ihre Zustimmung gegeben hat, ist ein sicheres Indiz dafür, das wir langsam aber sicher ordnungspolitische Grundsätze und Regeln verlassen und gar aufgeben.Und wenn man sich dann auf einer breiten Sympathiewelle getragen fühlt, kann man ja wohl nachlegen: Den sog. Minijobs sind Höchststunden zuzuordnen, Managergehälter sind zu begrenzen, exorbitante Gehälter sollen mit einer Zusatzsteuer belegt werden, Selbstständige und Freiberufler sollen in die gesetzliche Sozialversicherung eingebunden werden; und so weiter und so weiter.Meine Damen und Herren, unser seit nahezu 30 Jahren wohlgepflegter und gehegter Wohlfahrtsstaat soll nun dazu geführt haben, dass ein beachtlicher Teil unserer arbeitenden Bevölkerung und ein ebenso beachtlicher Teil unserer Rentner in Armut verfallen sind? Und dies trotz milliardenschwerer Sozial- und ähnlichen Transferleistungen in dieser Zeit?Unsere Wohlfahrtsapostel empfinden dies nicht etwa als eine Bankrotterklärung, nein, nein, man ist auf dem richtigen Weg, selbst wenn dafür die sog. Reichen weiter geschröpft, die Einkommensteuersätze - jedenfalls in der oberen Zone - weiter angehoben werden müssen, eine Vermögensteuer ebenfalls wieder eingeführt und sich bei der Erbschaftsteuer das eine oder andere auch noch hereingeholen werden muß. Und diese Mehreinnahmen sollen dann zur globalen Bekämpfung individueller Armut eingesetzt werden.Und dann müssen eben noch massive Lohn- und Gehaltserhöhungen angestrebt werden. Denn, auch wenn es die Unternehmerschaft tragen muss, der gerechte Lohn für gleiche Arbeit muss zur Glückssteigerung der bisher Benachteiligten durchgesetzt werden.Meine Damen und Herren. Armutsbekämpfung funktioniert nicht, in dem man den Reichen wegnimmt und es dann an die Armen verteilt. Robin Hood ist Legende, aber nicht Begründer des sozial-markwirtschaftlichen Ziels "Wohlstand für Alle". Das funktioniert anders.Und Glück, meine Damen und Herren, lässt sich nun einmal nicht als Sozialleistung organisieren.Nicht zuletzt die unternehmerischen Initiativen in einer freien Marktwirtschaft haben dazu geführt, dass die Armut als Massenerscheinung überwunden ist. Nicht eine Teilungsethik, die sich offensichtlich jetzt unsere sog. Sozialpolitiker zueigen macht, löst das Problem, daß heute wieder Mitbürger als arm eingestuft werden, nur weil sie weniger verdienen als andere.Und, meine Damen und Herren, leider wird der Wert der Arbeit nur noch in Zahlen ausgedrückt, in Entgelt pro Arbeitsstunde. Ab 7,50 € pro Stunde hat die Arbeit offensichtlich einen Wert, wird Armut verhindert, und das Minimum für eine gerechte Bezahlung erreicht. Unterhalb dieses Stundensatzes hat Arbeit wohl keinen Wert mehr. Dabei, meine Damen und Herren, sollte jede Arbeit in sich ihren Wert haben.Es sollte die vorrangige Pflicht eines jeden Menschen sein, für sich und seine Angehörigen zu sorgen und Eigenverantwortung zu übernehmen, denn die Alternative dazu wäre das Leben auf Kosten anderer.Meine Damen und Herren, machen wir uns bewusst: Eine Lohn- oder Gehaltserhöhung von z.B. 8 %, was ja derzeit hier und da im Gespräch ist, kommt bei einem Alleinstehenden in einem Jahresgehaltsbereich von ca. 30.000 € mit ca. nur noch 3,6 % in dessen Portemonnaie an. Meine Damen und Herren, die übrigen 4,4 % einer solchen Vergütungserhöhung landen beim Staat und den Sozialversicherungsträgern. Lassen sich unsere Bürger da nicht so richtig einnebeln?Und wenn sie sich, die zu erwartenden Preissteigerungen alleine bei Energie und Transport (Bahn, PKW) vergegenwärtigen, und weiterhin davon auszugehen ist, dass noch in diesem Jahr, spätestens aber ab 2009 die gesetzlichen Krankenversicherungsbeiträge steigen werden, dann sollte man sich die Frage stellen, ob es den dies fordernden Politikern und Funktionären tatsächlich darum geht, die Arbeitnehmer an dem allgemeinen wirtschaftlichen Aufschwung teilhaben zu lassen. Oder geht es nicht vielmehr darum, durch arbeitgeberseitige, kostenerhöhende Zuzahlungen den Fiskus weiterhin zu bereichern, der schwindsüchtigen gesetzlichen Sozialversicherung weiterhin ihren Lebensunterhalt zu gewährleisten, um darüber das Versäumnis zu kaschieren, dass die Politik den nahezu monopolistischen Strukturen unserer Energie- und Transportversorgung nicht Herr werden kann oder will, jedenfalls nicht geworden ist.Spätestens seit Mitte der 70er Jahre hat sich unsere Marktwirtschaft zu einem Wohlfahrtsstaat verändert! Wenn nun Politiker ihre Existenzberechtigung dadurch nachweisen und fortlaufend unter Beweis stellen wollen, dass sie die Begehrlichkeiten der Menschen und Gruppierungen immer neu und quantitativ zunehmend wecken, dann sind sie aus meiner Sicht fehl am Platz, dann handeln sie unsittlich. Je mehr Begehrlichkeit angeheizt wird, die die Menschen dann auch in Anspruch nehmen wollen, desto mehr muss der Staat allerdings dann auch den Menschen nachfolgend abnehmen, z.B. durch weitere Steuererhöhungen, oder eben eine weitere öffentliche Verschuldung in Kauf nehmen, zu Lasten nachkommender Generationen.Meine Damen und Herren. Ich sehe unser Problem vorrangig darin, dass unsere Politik zunehmend mit dramatisch schwindender ökonomischer Vernunft gestaltet und umgesetzt wird. Die Mechanismen des Wirtschaftens in nationaler und globaler Hinsicht werden nicht mehr beachtet. Sozialpolitische Hirngespinste gewinnen die Überhand und wissenschaftliche Beiräte bei Ministerien und Behörden erfüllen langsam aber sicher nur noch Alibifunktionen. Menschen an vorderster Front ohne jeden Kompetenznachweis fühlen sich zur Gestaltung unserer Arbeits- und Lebensbedingungen berufen und werden aufgrund eines erheblichen Unwissens einer breiten Wählermasse und deren leichter Beeinflussbarkeit auch noch dazu von ihnen gewählt.Meine Damen und Herren, der seriösen Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik wird langsam aber sicher der feste Boden unter den Füßen weggezogen. Wir sollten wachsam bleiben und uns dagegen wehren.Meine Damen und Herren. Ich sprach bereits in meiner Rede zum Neujahrsempfang 2004 von den Notwendigkeiten allenfalls moderater Lohnerhöhungen, der Erhöhung unserer Arbeitszeiten, der Senkung der Lohnnebenkosten, des Zurückfahrens der sozialen Sicherung durch Stärkung unser Wirtschaftskraft, der Anpassung von Kündigungsschutz und Arbeitsrecht, des Runterschraubens von Ansprüchen und Schulden, dem gepumpten Wohlstand. Wohl gesagt, es war eine Rede, abgeschlossen mit dem Wunsch, dass wir dafür kämpfen sollten, dass die Dinge so kommen, wie wir sie nehmen möchten. Wir hätten sie gerne genommen, aber sie sind nicht gekommen.Meine Damen und Herren. In meiner Neujahrsansprache 2005 sprach ich von der Bedeutung unserer dem Mittelstand zuzurechnenden Handwerksbetriebe, daß dieser Bereich mehr beachtet und mehr auf uns gehört werden sollte. Ich sprach von der Verödung der Innenstädte, insbesondere aufgrund des bedrohenden Wegfalls einzelhandelsnaher Handwerksbetriebe und der zunehmenden Zulassung von Großmärkten auf der grünen Wiese, der Umlenkung öffentlicher Gelder in die Infrastruktur eben dieser Märkte und der notwendigen Modernisierung der Innenstädte. Ich sprach von einer denkbaren Umgestaltung unseres Porzer Rheinufers und der sich dadurch ergebenden vielfältigen Möglichkeiten eines gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Aufschwungs. Wohl gesagt, es war eine Rede, verbunden mit der Gewissheit, dass, wenn man sich mit einem Thema intensiv und interessiert auseinandersetzt, man immer zu einer guten Lösung kommt. Es gibt aber bis heute keine Lösung, warum nicht?Meine Damen und Herren, in meiner Neujahrsansprache 2006 kritisierte ich, unterlegt mit vielen Beispielen, die zunehmende Bürokratisierung. Ich räumte allerdings auch ein, dass Bürokratie Macht erteilt und Macht verteilt, dass deren Abbau also zwangsläufig auf den Widerstand derjenigen trifft, die dann Macht abgeben müssten. Wohl gesagt, es war nur eine Rede. Und warum merken wir bis heute nichts von dem angekündigten Bürokratieabbau? Zunehmende staatliche Macht in allen uns tangierenden Bereichen ist Programm. Machen wir uns auf noch mehr Bürokratie gefasst.Meine Damen und Herren. Ich hoffe vermittelt zu haben, dass wir Unternehmer, wir Handwerker uns nicht zu Unrecht über ausufernde Bürokratie und zu hohe Belastungen beklagen. Ich finde es nicht richtig, dass unseren Mitmenschen zunehmend suggeriert wird, dass sie hinsichtlich ihrer sozialen Sicherung durchaus auf aktive staatliche Unterstützung rechnen dürfen. Das hat die Folge, dass sie diese Unterstützung nicht als tragisch empfinden und dass sie alle notwendigen Eigeninitiativen und die Suche nach Selbstverwirklichung einstellen.Unsere Inhaber geführten Handwerksbetriebe gehören ebenfalls zum Kern einer funktionierenden Marktwirtschaft. Wir sind keine staatswirtschaftlichen Betriebe und wir gehören auch nicht zu der in unserer Republik mittlerweile leider die Mehrheit bildende Gruppe der Empfänger öffentlicher Subventionen.Auch wenn, meine Damen und Herren, die guten Zahlen des deutschen Handwerks in den Jahren 2006 und 2007 nicht auf alle Handwerksbereiche zutreffen, dass eher die der Exportwirtschaft zuarbeitenden Handwerksbetriebe begünstigt waren, während sich die in der Binnenwirtschaft tätigen Handwerksbetriebe einigermaßen gut zurecht gekommen sind, sollten wir optimistisch in die Zukunft blicken.Wir sollten uns bewusst sein, dass wir mit handwerklicher Qualität, Service und Beratung gut aufgestellt sind. Daran müssen wir aber auch ständig arbeiten.Die in technischer und kaufmännischer Hinsicht gute Ausbildung junger Mitarbeiter sollte uns am Herzen liegen. Es ist eben nicht nur eine gesellschaftspolitische Aufgabenstellung, jungen Menschen eine berufliche Chance und eine berufliche Heimat zu geben. Wir selbst und damit die Existenz unserer Betriebe ist auf dieses Reservoir angewiesen. Wie sonst sollten wir auf lange Sicht Erfolg haben können? Und unsere Betriebe brauchen befähigte Nachfolger, und diese sollten wir selbst aus der von uns bestens ausgebildeten Mitarbeiterschaft rekrutieren können.Meine Damen und Herren, suchen wir weiterhin unsere Chancen. Suchen wir auch den Kontakt zu unseren kommunalen Behörden, und machen ihnen klar, dass wir alle bei deren Auftragsvergaben zu berücksichtigen sind. Machen wir ihnen klar, dass die schwierige öffentliche Finanzlage unsere Kommune nicht unbedingt dazu verleiten sollte, ihr Heil im Rahmen notwendiger Infrastrukturmaßnahmen und notwendiger Gebäudesanierungen in öffentlichprivaten Partnerschaften und bei Generalträgern zu suchen, die allein aufgrund ihrer Kapitalkraft von Großunternehmen gestaltet werden, bei denen wir, wenn überhaupt, allenfalls noch als preisgedrückte, aber volles Risiko tragende Subunternehmer unterkommen können.Meine Damen und Herren, wir sind auch eine gesellschaftlich relevante Macht, uns sind deshalb auch staatsbürgerliche Aufgaben, insbesondere im Ausbildungsbereich übertragen, denen wir auch gerne nachkommen wollen. Aber es bedarf auch eines fairen Wettbewerbs, den wir nachhaltig einfordern. Und wir alle hoffen, in diesem neuen Jahr wieder mehr wollen zu können und weniger müssen zu müssen.Der Übergang in ein neues Jahr, meine Damen und Herren, ist so etwas wie eine Theaterpause. Man geht ans Buffet auf ein Gläschen und kommt auf seinen Platz zurück. Optimisten hoffen dabei, dass der nächste Akt besser sein wird als die vorherigen.Meine Damen und Herren, ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit und Geduld und stoßen Sie mit mir gemeinsam auf diese Hoffnung an.So, meine Damen und Herren, jetzt haben Sie Zeit zur Diskussion.


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